Das Märchen vom bösen Flachdach

Traditionelle Dachart kämpft gegen den schlechten Ruf:

Es war einmal ein Flachdach, das einfach nicht dicht halten wollte. Und das, obwohl der Bürgermeister der Stadt doch einst den billigsten Anbieter ausgewählt hatte, um das Flachdach auf das Rathaus bauen zu lassen.

So ließ der Bürgermeister eilends einen Bautenschützer herbeirufen. Erst gestern noch hatte dieser als Spülhilfe in einer Kneipe gearbeitet, die noch nicht von Kochprofis gerettet wurde. Doch auch dieser Bautenschützer, der ja das Abdichten nie gelernt hatte, versagte. Und wenn der Bürgermeister keinen qualifizierten Dachdecker ruft, tropft es noch heute ins Rathaus.

Bis heute kursieren „Märchen“ vom undichten Flachdach unter Bauherren, Architekten und Gemeinderäten. Dabei ist das Flachdach keineswegs eine misslungene Erfindung der Neuzeit. In mediterranen und orientalischen Regionen genießt diese Dachart eine Jahrhundertelange Tradition. Und unzählige Bergfriede, die Hauptwehrtürme von mittelalterlichen Burgen, besitzen ein Flachdach, das alle Zeiten überdauert hat.

 

Dieser „Garten“ ist auf dem Flachdach einer Werkhalle eines mittelständischen Unternehmens entstanden.

Den schlechten Ruf des modernen Flachdaches begründet die Wirtschaftswunderzeit der frühen 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Der Bungalow war das Statussymbol schlechthin. Der Bauboom zog eine „Experimentierfreudigkeit“ mit unerprobten Baustoffen und unerfahrenen Handwerkern nach sich. Schon bald wurde das Flachdach zum Synonym für undichte Dächer.

Die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks und die Baustoffe haben sich weiterentwickelt. Ein Flachdach der heutigen Generation steht in seiner Lebenserwartung keinem Steildach nach. Grundvoraussetzungen sind aber – wie bei jedem Dach – die Planung und Errichtung durch den qualifizierten Dachdeckerbetrieb und die regelmäßige Dachwartung durch den ebenso qualifizierten Fachbetrieb.

Dann kann das Flachdach sogar noch mit Vorteilen gegenüber dem Steildach punkten. So lässt z. B. eine Begrünung hier eine Dachlandschaft entstehen, die sich als Mini-Biotop in der Stadt und als „Klimaanlage“ und hervorragender Schallschutz für das Gebäude erweist. Oder es entsteht auf dem Dach eine Terrasse mit den besten Aussichten. Oder ein ganzer Solarpark. Mit solchen unzähligen Chancen der Flachdach-Nutzung kann der rasante Bodenverbrauch durch Bebauung mindestens ebenso kompensiert werden wie der Ausbau von bislang ungenutzten Speichern unter Steildächern oder eine nachträgliche „Aufstockung“ des Flachdachs mit einem Satteldach. Wohl käme auch kaum ein Cabriofahrer auf die Idee, als Abhilfe gegen ein undichtes Verdeck den Sportwagen in einen Kombi verwandeln zu lassen.

Das Flachdach bietet zu viele Möglichkeiten und Vorteile, um es von Nicht-Fachleuten schlecht reden oder durch Nicht-Fachleute zur Dauer-Baustelle machen zu lassen. Übrigens ist das Dachdeckerhandwerk als Fachgewerk für die Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik das einzige Handwerk, dem (zu Recht) die Erstellung von Flachdächern erlaubt ist.